Selen

Stand: 07/10/2023
Selen gehört wie Eisen, Zink, Kupfer oder Jod zu den Spurenelementen. Entsprechend gering ist der Gesamtbestand an Selen im Körper, insgesamt etwa 5 bis 15 Milligramm beim erwachsenen Menschen, vorwiegend in der Skelettmuskulatur, in den Nieren und in der Leber.

Selen ist in Form von Selenocystein Bestandteil verschiedener Enzyme und als solches an vielen Stoffwechselreaktionen im Körper beteiligt. Selenoenzyme sind unentbehrliche Bestandteile des antioxidativen Systems des Menschen. Einige Beispiele dazu: Glutathionperoxidasen (GPx) bauen Radikale in den verschiedensten Geweben des Körpers ab und schützen diese dadurch vor oxidativen Schädigungen. Phospholipid-Glutathion-Peroxidase ist Strukturbestandteil der Spermien und essentiell für die männliche Fruchtbarkeit. Die Thioredoxinreduktase ist an der Aktivierung der Schilddrüsenhormone beteiligt. Weitere selenhaltige Enzyme beeinflussen den Zellstoffwechsel und das Immunsystem.
Selen und Vitamin E ergänzen sich in ihren antioxidativen Wirkungen.
Selen kann außerdem Schwermetalle wie Cadmium, Quecksilber oder Thallium binden und so entsprechenden Vergiftungen entgegen wirken.


Zur Versorgung mit Selen

Der Schätzwert für eine angemessene Zufuhr an Selen wird von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit 70 µg (männliche Jugendliche ab 15 Jahre und Männer) bzw. 60 µg (weibliche Jugendliche ab 15 Jahre und Frauen) angegeben. Die Referenzwerte für Kinder und Jugendliche basieren auf den Werten für Erwachsene unter Berücksichtigung von Körpergewicht und Wachstum bzw. auf dem Gehalt der Muttermilch. Sie bewegen sich zwischen 10 µg (Säuglinge 0 bis 3 Monate) und 60 µg (Jugendliche 13 bis 15 Jahre).

Informationen hier (im Internet unter dge.de, Zugriff 21.07.2016)

Zur Selenversorgung in Deutschland liegen keine aktuellen Daten vor.
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte 2014 anhand von Verzehrsdaten aus Finnland, Deutschland, Irland, Italien, Lettland, den Niederlanden und Großbritannien die durchschnittliche Selenzufuhr dieser Länder geschätzt. Sie lag zwischen 31 µg und 66 µg pro Tag. Doe genauen Zahlen sind schwierig zu ermitteln, da die Selengehalte in Lebensmitteln stark schwanken und auch nicht für alle Lebensmittel Analysenergebnisse vorliegen.

Verschiedene Maßstäbe können zur Bewertung der individuellen Selenversorgung herangezogen werden: die Selenkonzentration im Blutplasma, die Aktivität von GPx in Plasma, Erythrozyten, Thrombozyten oder Vollblut sowie die Konzentration des Selentransportproteins Selenoprotein P (SePP). Die meisten (älteren) Untersuchungen basieren auf Messungen der GPx im Plasma, während 2015 die Selen-Referenzwerte aus der Sättigung der Konzentration von SePP im Blut abgeleitet wurden. Die GPx-Aktivität erreicht ihre maximale Aktivität bei 70-90 µg Selen/ Liter Plasma, während die SePP-Konzentration ab einer Plasma-Selenkonzentration von 100 bis 120 µg Selen/ Liter ihr Maximum erreicht.

Bei gesunden Erwachsenen in Europa wurden Selenkonzentrationen im Blut zwischen 50 und 145 µg/ Liter (durchschnittlich 79 µg/ Liter) gemessen.

Selen kommt im Boden vor und wird von den Pflanzen aufgenommen. Die europäischen Böden sind relativ selenarm im Gegensatz beispielsweise zu den US-amerikanischen und kanadischen Böden. Entsprechend niedrig(er) ist auch der Selengehalt der in Europa erzeugten pflanzlichen Lebensmittel und Futtermittel.

Bestimmte Pflanzen können Selen anreichern, dazu gehören Paranüsse, Pilze, Hülsenfrüchte (Linsen, Sojabohnen), Brokkoli, Weißkohl oder Zwiebelgemüse, und bei selenreichen Böden hohe Selengehalte aufweisen.

Seit 1992 darf in der EU Selen Futtermitteln zugesetzt werden, um die Selenversorgung der Nutztiere zu verbessern, so dass in der Folge Fleisch und Eier relativ zuverlässige Selenquellen für uns Menschen sind und ebenso wie Fisch ihren Beitrag zur Selenversorgung leisten. Diese Lebensmittel sind in Deutschland die Hauptlieferanten für Selen.
Auch wenn Selen aus pflanzlichen Lebensmitteln besser verfügbar ist als aus tierischen Lebensmitteln, spielen pflanzliche Lebensmittel wegen ihrer schwankenden Gehalte eher eine untergeordnete Rolle für der Selenversorgung.

Die Verfügbarkeit von Selen aus gemischter Kost liegt zwischen 60 und 80 %.

Allgemein kann man sagen, dass eine ausreichende Versorgung mit Selen über eine vollwertige Ernährung möglich ist. Schwieriger ist es für Veganer. Sie können (oder müssen) gezielt Hülsenfrüchte, Paranüsse oder Pilze als Selenquellen nutzen.

Im Umgang mit Nährwerttabellen muss man berücksichtigen, dass deren Aussagekraft bzgl. des Selengehalts von Lebensmitteln wegen der je nach Anbaugebiet stark schwankenden Selengehalte pflanzlicher Erzeugnisse (siehe oben) eingeschränkt ist und von Tabelle zu Tabelle unterschiedlich sein kann.

Tabelle: Selengehalt in Lebensmitteln (Auszug)

Lebensmittel
Selen
[µg/ 100 g Lebensmittel]
  • Haferflocken
10
  • Reis
11
  • Roggen(vollkorn)brot
1-3
  • Apfel
1
  • Kartoffeln
2
  • Weiße Bohnen, Kichererbsen, Linsen
9-14
  • Champignons
7
  • Steinpilze
184
  • Hering, Ostsee (Atlantik)
18 (43)
  • Kabeljau
27
  • Rotbarsch
44
  • Schweinefleisch, mager
12
  • Hühnerei
10
  • Paranuss
100

Quelle: Prof. Dr. I. Elmadfa u.a.: Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle 2015/16, Gräfe und Unzer Verlag GmbH, München 2015


Zu wenig Selen schadet

Ein ausgeprägter nahrungsbedingter Selenmangel ist selten und kommt nur in Regionen mit sehr niedrigem Selengehalt im Boden sowie gleichzeitig überwiegendem Verzehr regional erzeugter Lebensmittel vor. Betroffen hiervon sind Bereiche in Zentralafrika und Asien. So sind in einigen Regionen Chinas mit einer Selenzufuhr von durchschnittlich etwa 10 µg/ Tag zwei Selenmangelkrankheiten aufgetreten: die Keshan-Krankheit (Erkrankung des Herzmuskels) und die Kashin-Beck-Krankheit (degenerative Gelenkveränderungen, vermindertes Knochenwachstum).

In Europa können Krankheiten mit verminderter Nährstoffabsorption (chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Mukoviszidose, Kurzdarmsyndrom) bzw. mit vermehrter Nährstoffausscheidung (Niereninsuffizienz, chronische Dialyse) zum Selenmangel führen. Ursache von Mangelsymptomen können außerdem langfristige parenterale Ernährung ohne Selenzugabe sein oder genetische Defekte, die den Selenstoffwechsel oder die Synthese von Selenoenzymen betreffen.
Hierbei sind das Immunsystem beeinträchtigt sowie Muskelfunktionen und Spermienbildung gestört.


Und zu viel Selen schadet auch

Mehrere Gramm des Spurenelements können zur akuten Vergiftung mit Herzversagen, Kammerflimmern und letztendlich zum Tod führen.
Eine chronische Überversorgung mit Selen (im Milligrammbereich), Selenose, geht mit Haarausfall und Störungen der Nagelbildung einher. Es kann außerdem zu neurologischen Störungen, Müdigkeit, Haarausfall, Gelenkschmerzen, Übelkeit und Durchfall kommen. Charakteristisch ist ein knoblauchartiger Geruch der Atemluft.

Auch werden ein erhöhtes Risiko für Diabetes Typ II sowie Hypercholesterinämie diskutiert.

Laut der EFSA können Erwachsene ohne Risiko bis zu 300 µg/ Tag aufnehmen (so genannte tolerierbare Gesamtzufuhr). Bei Kinder und Jugendlichen im Alter von 1 bis 17 Jahre liegen diese Werte in Abhängigkeit vom Körpergewicht zwischen 60 und 250 µg Selen pro Tag.


Nahrungsergänzungsmittel mit Selen

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Selen blüht. Sie sollen antioxidativ wirken und Herzkreislauferkrankungen sowie verschiedenen Krebserkrankungen (insbesondere Darm-, Lungen-, Prostatakrebs) entgegen wirken.
Auch in Verbindung mit Alzheimer Demenz, Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Unfruchtbarkeit wird ein Zusammenhang zur Selenversorgung diskutiert.

In ihrer Stellungnahme zum präventiven Einfluss von Selen auf die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen kommt die DGE zum Ergebnis, dass bei einer guten Selenversorgung (> 80 µg Selen/ Liter Plasma) keine weitere Risikosenkung zu erwarten und eine zusätzliche Selenzufuhr unnötig ist.
Wenn die Selenversorgung der Bevölkerung grenzwertig ist (< 80 µg/ Liter Plasma), sind die Studienergebnisse uneinheitlich. Bei sogenannten Beobachtungsstudien verringerte sich das Erkrankungsrisiko mit der Verbesserung der Selenversorgung, während sogenannte Interventionsstudien keine Verbesserung mit sich brachten.

Ähnlich scheint die Situation bei Prostatakrebs zu sein. Bei unzureichender Selenversorgung können selenhaltige NEM möglicherweise das Erkrankungsrisiko senken. Bei guter Ausgangsversorgung ist kein Effekt zu erwarten bzw. wurde bei einzelnen Studien sogar ein erhöhtes Krebsrisiko beobachtet. Insgesamt sind die Studienergebnisse zur Wirkung selenhaltiger NEM auf das Krebsrisiko uneinheitlich, so dass laut DGE keine eindeutigen Aussagen getroffen werden können.

Allerdings können Selenpräparate in bestimmten Situationen notwendig sein, so bei Dialyse, bei entzündlichen Darmerkrankungen (siehe oben) oder möglicherweise auch bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Hashimoto-Thyroiditis). Sie sollten jedoch nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden.

Die Spanne zwischen bedarfsgerechter und Überversorgung ist bei Selen relativ gering und viele Fragen insbesondere hinsichtlich der Wirkungen von Selengaben auf die genannten Krankheiten sind zurzeit noch offen.


Quellen und weitere Informationen


irmgard.luetticken@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung