Studien zur Ernährung Jugendlicher

Stand: 04/20/2020
Kinder und Jugendliche werden in Ernährungsstudien meist in eine Gruppe zusammengefasst, dabei unterscheidet sich ihr Ernährungsverhalten teilweise erheblich. Während die Ernährung im Kindesalter noch stark von den Eltern oder durch die Verpflegung in Kitas und Schulen bestimmt wird, befinden sich Jugendliche in der Übergangsphase zwischen Versorgtwerden und Selbstversorgung. Hier werden individuell sehr unterschiedliche Ernährungs- und Lebensstile herausgebildet. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die pubertäre Ernährungsweise meist problematisiert, sie sei geprägt von Fast Food, Süßigkeiten und Softgetränken. Ist das ein Vorurteil?

Die folgende Literaturrecherche über die Ernährung Jugendlicher soll dieser Frage nachgehen. Sie bezieht sich zum einen auf die Publikationen der Dr. Rainer Wild-Stiftung, die wiederum verschiedene Jugendstudien zur Grundlage hat, zum anderen wurden die Nestlé-Ernährungsstudie 2019 sowie die Ergebnisse der Langzeitstudie zur „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS-Studie) des Robert-Koch-Instituts (RKI) herangezogen.
Die Lebensphase der Jugend ist nicht einheitlich definiert. Das statistische Bundesamt grenzt die Personengruppe der Jugendlichen auf das Alter von 14 bis 17 Jahren ein. Im Jugendarbeitsschutzgesetz gilt als jugendlich, wer älter als 15, aber jünger als 18 Jahre ist (JArbSchG §2 Kind, Jugendlicher). Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bezeichnete 2017 in seinem 15. Kinder- und Jugendbericht die Jugend als eigenständige Lebensphase der Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbständigung und hat bei seiner Jugendpolitik die Altersgruppe der 12- bis 27-Jährigen im Blick.
Bei den recherchierten Studien bezieht sich die Nestlé-Ernährungsstudie 2019 auf ein Jugendalter von 14 bis 19 Jahre, die KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) vergleicht jeweils jüngere Kinder (3- bis 10-Jährige) und ältere Kinder bzw. Jugendliche (11-17-Jährige). Ferner unterscheidet sie Jungen und Mädchen.


Die KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Als wohl umfangreichste Studie über den Gesundheitszustand und die Lebensstile von Kindern und Jugendlichen führt das RKI seit mehr als einem Jahrzehnt ein Gesundheitsmonitoring im Auftrag mehrerer Bundesministerien durch. Dieses Monitoring liefert wichtige Informationen für die weitere Ernährungs- und Gesundheitspolitik.

2003-2006 gab es eine KiGGS-Basiserhebung in 167 Städten und Gemeinden, bei der per Zufallsauswahl rund 17.650 Kinder und Jugendliche gesundheitlich untersucht und teilweise befragt wurden. In den Nachfolgeerhebungen Welle 1 (2009) und Welle 2 (2013-2017) wurden bisherige Veränderungen und Trends ermittelt.

Zur KiGGS-Studie gehören mehrere ergänzende Studienmodule. Unter anderem wurde die „EsKiMo - Die Ernährungsstudie als Modul in KiGGS“ ebenfalls in zwei Wellen angelegt: EsKiMo I-Studie (2009) und EsKiMo II-Studie (2015-2017). In dieser Studie werden der Lebensmittelverzehr und die Ernährungssituation der Kinder und Jugendlichen in Deutschland untersucht. Ergebnisse der KiGGS Welle 2 wurden 2018 veröffentlicht. Anhand von Erhebungen zur sportlichen Aktivität und Befragungen zu Ernährungsgewohnheiten wurde eine Bilanz zwischen Energieaufnahme und -verbrauch gezogen und das Gefährdungsrisiko für Übergewicht und Adipositas ermittelt.

Im Ergebnis verzehren Jugendliche und Jungen tendenziell mehr süße Getränke, Süßigkeiten und süße Aufstriche als jüngere Kinder und Mädchen. Dabei konsumieren Jugendliche täglich durchschnittlich etwas mehr als 0,5 Liter an zuckerhaltigen Getränken und knapp 70 Gramm Süßwaren. Die konsumierten Mengen sind im Vergleich zur Basiserhebung 2003-2006 erfreulicherweise um etwa 25 Prozent gesunken.
Der Wasserkonsum von Jugendlichen liegt bei durchschnittlich etwa 1.600 ml/ Tag. In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen insgesamt ist der Wasserkonsum im Vergleich zur ersten Erhebung je nach Alter und Geschlecht um 50 Prozent bis hin zu 90 Prozent gestiegen. Während die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Verzehrsmenge von 250 g Obst / Tag zumindest bei jugendlichen Mädchen erreicht wird, liegt der Verzehr von Gemüse allerdings mit 129 g/ Tag bei 11-17-jährigen Mädchen und 102 g/Tag bei 11-17-jährigen Jungen weit unter den Empfehlungen von 400 g/ Tag.
Laut KiGGS-Studie befinden sich in Deutschland die Kinder und Jugendlichen von 0 bis 17 Jahren in gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand. Allerdings gibt es Problemgruppen innerhalb der Altersgruppe der Jugendlichen, nämlich jene aus sozial benachteiligten Familien. Hierzu zählen Familien mit geringem Bildungsstand, geringem Einkommen oder mit Migrationshintergrund. In solchen Familien kommt es häufiger zu Adipositas oder Mangelernährung. Die Zahl der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen lag 2015 bei 15,4 Prozent und die der adipösen bei 5,9 Prozent. Schon ab dem Kindesalter nimmt der Anteil übergewichtiger und adipöser Personen mit steigendem Alter zu, in Familien mit niedrigem sozialökonomischen Status deutlich stärker als in den Familien einer höheren Statusgruppe. Daraus resultieren bereits im Jugendalter Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Störungen im Fettstoffwechsel oder bei der Glukosetoleranz, orthopädische Erkrankungen, chronische Entzündungen und ein niedriges Selbstwertgefühl bis hin zur Depression. Weitere Folgen für die Betroffenen sind Stigmatisierungen und geringere Chancen am Arbeitsmarkt.
Die Ursachen der Gesundheitsrisiken, die durch Fehlernährung und geringe körperliche Aktivität bedingt werden, liegen oft in den sozialen Verhältnissen.


Die Nestlé-Ernährungsstudie 2019

In der Nestlé-Ernährungsstudie 2019 wurden Jugendliche von 14 bis 19 Jahren zu ihrem Ernährungsverhalten befragt. Demnach nehmen sich nur 26 Prozent der Jugendlichen Zeit für ein Frühstück und nur 43 Prozent für ein Abendessen. Snacking steht dabei hoch im Kurs: Viele essen teilweise ganz ohne feste Mahlzeiten, wenn sie gerade Hunger haben (51 Prozent).
Weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Jugendlichen finden gemeinsames Essen wichtig; nur 17 Prozent finden es sehr wichtig. 40 Prozent der Jugendlichen essen mittags zuhause, dagegen geben 51 Prozent an, ihr Essen gelegentlich in Bäckereien zu kaufen.

Der Lebensmittelverzehr wurde in der Nestlé-Studie im Detail nicht erhoben, es wurde lediglich eine Frage zum Fleischkonsum gestellt. Zwar stehen bei der vegetarischen oder veganen Ernährung vor allem junge Menschen im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, doch geben 56 Prozent der Jugendlichen an, gerne Fleisch zu essen und wollen auch in der Zukunft nicht weniger Fleisch verzehren.


Auszüge aus Veröffentlichungen der Dr. Rainer Wild-Stiftung

Auch für einige Autoren der Dr. Rainer Wild-Stiftung liegen die Gründe einer ungünstigen Ernährungsweise unter anderem im Wandel der Esskultur in den Familien. Die traditionellen drei Hauptmahlzeiten am Familientisch weichen dem an Schul- bzw. Arbeitsleben und Freizeit angepassten individuellen Snacking der einzelnen Familienmitglieder. Die Essabstände sind unrhythmisch und nicht immer stehen selbst zubereitete Speisen zur Verfügung. Dies belegen gestiegene Konsumzahlen bei Convenience-Produkten und Ready-to-eat-Gerichten im Handel sowie das zunehmende „To-go“-Angebot der Außer-Haus-Verpflegung in Straßenrestaurants und Fast-Food-Ketten. Dazu kommt noch das vermehrt an Jugendliche gerichtete Angebot an „coolen“ Getränken.

Die Fülle des Lebensmittelangebots ist gegenwärtig verführerisch groß und die Flut an zum Teil widersprüchlichen Informationen und Empfehlungen für Jugendliche unüberschaubar. Zwar ist ein Basiswissen über den Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit vorhanden, doch spielt innerhalb einer Peer-Group meist auch der Coolness-Faktor eine Rolle. Die gesündere Vollkornbrotschnitte aus der Brotdose wirkt neben einem üppigen „To-Go“-Burger aus der Pappschale nahezu langweilig.
Die Dr. Rainer Wild-Stiftung zitiert diesbezüglich Befragungsergebnisse bei Jugendlichen aus der EU-finanzierten Studie „Healthy Lifestyle in Europe by Nutrition in Adolescence“ (HELENA-Studie, 2005-2008). Hiernach wird häufig bewusst ungesundes Essen bevorzugt, denn gesundes Essen wird von Jugendlichen oft als „zeitaufwendig, langweilig, wenig schmackhaft, wenig sättigend und teuer“ erachtet.
Andererseits wurde auch vielfach festgestellt, dass es die Jugend-Esskultur nicht gibt. Das Ernährungsverhalten von Jugendlichen ist in hohem Maße heterogen, so wie auch ihre Herkunft und ihr Umfeld sehr unterschiedlich sind. Das Spektrum reicht vom Jugendlichen, dem die Ernährung völlig gleichgültig ist, bis hin zum sehr gesundheitsbewussten Jugendlichen. Zahlreiche sonstige Beweggründe bestimmen zudem das Ernährungsverhalten, wie beispielsweise eine vegetarische bzw. vegane Ernährung aus ökologischen, ethischen oder politischen Gründen oder aber eine spezielle Ernährung im Hinblick auf Unverträglichkeiten oder die eigene Körperästhetik. So spielen Schlankheitsideale bei überwiegend weiblichen Jugendlichen eine Rolle oder die Förderung von Fitness und Muskelwachstum bei überwiegend männlichen Jugendlichen. Das Ernährungsverhalten kann erlebnisorientiert sein, aber auch sehr preisbewusst infolge von ökonomischen Zwängen. Solche zusätzlichen Erwägungen laufen manchmal dem Anstreben einer gesunden Ernährungsweise zuwider.


Ausblick

DIE Ernährungsweise von Jugendlichen gibt es nicht. Sie ist immer geprägt von sehr unterschiedlichen Elternhäusern, Medien und Peergroups und ist immer auch ein Ausdruck des jeweiligen Bewusstseinstrends. Besonders Jugendliche sind immer ganz stark von der jeweiligen Epoche geprägt und für Neuheiten empfänglich. Jugendliche können dank eigener Kaufkraft auch zum Trendsetter werden.
Standen beispielsweise vor etwa 15 Jahren bei Getränken wie Alkopops und Bubbletea noch Coolness und Spaßfaktor im Vordergrund, prosperierten wenige Jahre später die Gesundheit und Fitness versprechenden Superfoods in Form von Smoothies, Mate-Getränken oder speziellen Energy-Drinks.
Aktuell ist die Perspektive vieler Jugendlicher vor allem vom Klimawandel geprägt, verbunden mit neuen, nachhaltigeren Ernährungsweisen bis hin zu sogenannten Foodaktivisten, die beispielsweise Lebensmittel retten oder den Veganismus proklamieren. Trendbegleitend bildet sich auch eine neue parallele Konsumwelt mit neuen Geschäftsideen wie zum Beispiel Online-Läden für „krummes Gemüse“ (Misfits) oder auch neue Lebensmittelkreationen, insbesondere im veganen Bereich.

Dennoch gibt es, wie die Nestlé-Studie zeigt, unter den Jugendlichen eine sehr große Gruppe derer, für die Ernährung im Alltag nur eine Nebensache ist und die ihre Ernährungsweise kaum reflektiert.

Hier setzen politische Maßnahmen an, um für Jugendliche ein gesundheitliches Umfeld zu gestalten: Die Bundesregierung hatte 2008 den Nationalen Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ aufgestellt. Hierbei werden verschiedene Ansätze von Bund, Ländern und Kommunen sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gebündelt.
Zur Gesundheitsvorsorge im Hinblick auf die Verhaltensprävention zählt in erster Linie die Aufklärung. Vieles davon wird auf Bundesebene geregelt, beispielsweise durch Vorgaben wie Werbeverbote oder wie Nährwertangaben oder Nutri-Score auf Verpackungen zur Kennzeichnung der Nährwertqualität von Lebensmitteln.
Eine weitere Maßnahme des Bundes war das Herausbringen von Qualitätsstandards für die Schulverpflegung, aber auch für anderer öffentliche Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen wie zum Beispiel Kindertageseinrichtungen oder Betriebskantinen.

Maßnahmen zur Verbesserung der Verhältnisse, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, sind zum Beispiel seitens der Kommunen das Bereitstellen von öffentlichen Spiel- und Sportstätten für sportliche Betätigungen oder die Installation von Wasserspendern in Schulen. In die Zuständigkeit der Länder fallen beispielsweise die Aufnahme von Ernährungsthemen in die Lehrpläne bzw. Verbraucherbildungsrichtlinien oder die Umsetzung des EU-Schulprogramms. Die Verpflegungsgestaltung in den Schulen und Kindertageseinrichtungen obliegt generell zwar den überwiegend kommunalen oder kirchlichen Trägern, doch haben die Bundesländer Möglichkeiten, auf die Verpflegungssituation gemäß den Empfehlungen der genannten Qualitätsstandards einzuwirken.

Rheinland-Pfalz hat die Initiativen „Kita isst besser“ und „Schule isst besser“ aufgelegt. Ein Bestandteil ist dabei die Teilnahme am EU-Schulprogramm, in dem Grundschulen, Förderschulen sowie Kitas wöchentlich und kostenfrei mit frischem Gemüse und Obst sowie ungesüßter Milch für Pausenmahlzeiten beliefert werden. Eine weitere Maßnahme zur Prävention/ Gesundheitsförderung ist der „Qualifizierungsprozesses für die Schulverpflegung“. Hier werden Schulen auf dem Weg zu einem Verpflegungskonzept begleitend beraten und können bei Erfolg „Sterne“ erhalten. Zudem bietet die Ernährungsberatung Rheinland-Pfalz landesweit an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) die Seminarreihe „Schulverpflegung professionell gestalten“ für verantwortliche Personen in Schulmensen oder Schulkiosken an.
Gerade um auch die benachteiligten Familien zu erreichen, bieten sich ernährungsbezogene Maßnahmen in erster Linie in Kitas und Schulen an, da diese Einrichtungen von allen Kinder und Jugendlichen durchlaufen werden.


Quellen und weitere Informationen


Annette.Conrad@dlr.rlp.de     www.Ernaehrungsberatung.rlp.de